BLUE MONDAY. SPRING NICHT!
 

BLUE MONDAY. SPRING NICHT!

Wenn ein junger Mann und eine junge Frau, das Ende eines Sturzregens abwartend, unter einem kleinen Vordach stehen, kann dies mitunter zu Ereignissen führen, die niemand, auch nicht sie selbst, erwartet hätten.

Zwischen München und Hamburg ist genug Zeit, um ein oder zwei Leben auszubreiten. Vor fast zwei Jahren hatte Myria die Gelegenheit eben dies mit Thomas zu tun, dem sie bis dahin noch nie begegnet war. Ihre Leidenschaft für die Popgruppe New Order kam dabei ebenso zur Sprache, wie ihre Tätigkeit in der Redaktion eines vielgelesenen Stadtmagazins. Nach Myrias Heimkehr vergingen nur wenige Tage, bis sie im Redaktionsbüro von der Ankunft eines quadratischen Umschlages überrascht wurde und daraufhin ihren Feierabend zum Kauf eines gebrauchten Phillips-Plattenspielers nutzte. Ihr erstes Widersehen mit Thomas endete in akrobatischen Liebesakten auf ihrem Mammut-Sofa, begleitet von knisternden New Order Klängen, unterbrochen durch das Springen der Nadel über einen Kratzer, gerade dort, wo sich Myrias Lieblingssong „Blue Monday“ ins Vinyl gepresst hatte.

Das man sich oftmals genau dann trennen muss, wenn die in der Distanz verlorengegangene Nähe wiedergefunden wurde, liegt in der Natur einer Fernbeziehung. Betäubt im Zugabteil zu sitzen, wie durch einen Sprung in der Lieblingsplatte aus den Träumen gerissen, wurde Teil ihres Lebens. Nicht selten kam es vor, dass Myria an dieser Lebensart zweifelte, so auch an diesem Sommermorgen als ihr Fußweg zwischen Wohnungstür und Bahnhof von einem Wolkenbruch unterbrochen wurde. Der Intensität des Sommerregens nach zu urteilen lief alles darauf hinaus, dass sie den Zug verpassen und wieder einmal verspätet bei ihm eintreffen würde. Denn anstatt zur Abfahrtszeit im Großraumabteil des ICE’s zu sitzen, stand sie unter dem Vordach eines Schallplattenladens, während sie ein ebenfalls schutzsuchender junger Mann aus dem Augenwinkel betrachtete.

Luis hatte die ganze Nacht keine Ruhe gefunden. Nicht die schwüle Sommerhitze, auch nicht der einsam winselnde Hund des Nachbarn waren die Ursache seiner Schlaflosigkeit, sondern die Vorahnung einer ungewöhnlichen Begegnung. Unter normalen Umständen fielen Vorahnungen nicht unter die Kategorie lebensbeeinflussende Ereignisse, aber in diesem Falle konnte er sich den immerfort pochenden Gedanken nicht widersetzen. Nach der Beendigung seiner Diplomarbeit über die Anwendung von Chaos-Forschungen bei Sicherheitskonzepten für Großveranstaltungen, hatte ihn eine Sinnkrise heimgesucht, woraufhin er nur noch in Notfällen, wie zum Beispiel dem Mangel an Klopapier oder Bargeld, sein Haus verließ. Getragen wurden seine Tage von einer wieder entdeckten Schallplattensammlung, die ihn zu immer neuen Zeitreisen in vergangene Glücks- und Unglücksmomente beflügelte, lediglich unterbrochen vom klingen der Türglocke, die in regelmäßigen Abständen das Eintreffen des Gourmet-Heimservices ankündigte. In dieser Nacht aber schien seine Lethargie einer erfrischenden Ruhelosigkeit gewichen zu sein, hervorgerufen durch die unerklärliche Gewissheit, dass er des morgens seine Wohnungstür verlassen würde, um einer Person zu Begegnen, die sein Leben in unbestimmter Art und Weise verändern würde. Die Ursache dieser Vorahnung war ihm ein Rätsel. Nachdem sie aber auch mit konsequenter Ratio nicht zum Rückzug zu bewegen war, sah er sich dazu genötigt, dem ungewissen Schicksals ergeben frühmorgendlich mit der in den vergangenen Tagen vernachlässigten Hygiene zu beginnen, um später eiligen Schrittes das Haus zu verlassen, ohne dabei den sich bereits ankündigenden Wolkenbruch zu bemerken.

Wenig später fand er sich nun unter dem Vordach seines ehemaligen Lieblingsschallplattenladens wieder und wünschte sich dabei nichts sehnlicher, als das der Regen fürs erste niemals aufhören würde, da ihm bereits beim ersten Anblick der ebenfalls schutzsuchenden jungen Dame die Sicherheit ereilte, dass sich in ihr seine nächtliche Vorahnung bewahrheiten würde.

„Bin sofort zurück! Bitte gehen sie nicht, ohne sich von mir zu verabschieden ...“, sagte Luis und verschwand hinter der Ladentür. Von dieser Bitte überrascht blieb sie selbst dann unter dem Vordach stehen, als der Platzregen in einen leichten Nieselregen überging, der es ihr ohne weiteres ermöglicht hätte, ihren Weg fortzusetzen.

Zurück unter dem Vordach sagte der ebenfalls schutzsuchende junge Mann: „Hier ist nicht der Ort für Erklärungen. Außerdem haben Sie es eigentlich Eilig, oder?“ und überreichte Ihr einen flachen quadratischen Umschlag. „Würde mich freuen, wenn Sie sich in einem ruhigen Moment Zeit für meine heutige Lieblingsplatte und somit in gewisser Hinsicht Zeit für mich nehmen könnten. Ich hoffe Sie haben einen Plattenspieler. Das würde die Sache vereinfachen. Lassen Sie sich von der stillosen Geschenkverpackung nicht täuschen, sie dient lediglich dem Aufbau eines Spannungsbogens. Vielleicht trinken Sie eine halbe Flasche Prosecco vorher, zumindest sollten Sie in einer gelösten Stimmung sein. Alles andere wäre Zeitverschwendung.“

Sein Gang bot nicht das kleinste Anzeichen von Bodenhaftung. Bis er um die Ecke gebogen war, schaute Sie ihm nach, dann verstaute Sie die Schallplatte sorgfältig in ihrem kleinen Reisekoffer. Eine direkte Heimreise wäre ihrer Ungeduld entgegengekommen und gleichbedeutend mit dem Ende ihrer Thomasliebe, aber soweit war sie noch nicht. Hätte Sie Ihre Erwartungshaltung an das gemeinsame Wochenende auf einen Zettel geschrieben, in einen Umschlag gesteckt und um 1000 Mark gewettet, dass es haargenau so kommt, wäre die Finanzierung des nächsten Urlaubes gesichert gewesen. Thomas war schlecht gelaunt aufgrund ihrer Verspätung, in Gedanken immer noch bei seinem Unternehmensberater-Job und wollte sie trotzdem durchs Schlafzimmer schleifen. Ihre Verweigerung setzte seinem Miesepeter die Krone auf. Des Nachts schliefen Sie in getrennten Betten. Der darauf folgende Sonntag lief ganz passabel, mit Picknick an der Isar und einem stumpfen Intermezzo auf der Waschmaschine.

Die Gewissheit eines immerwährenden Kompromisses begleitete bis ins Zugabteil und wurde alsbald überdeckt durch eine stetig anschwellende Ungeduld. Je weiter Sie sich der Heimat näherte, umso langsamer verging die Zeit. Angekommen, fand sie im Bahnhofssupermarkt eine passable Flasche Prosecco zum doppelten Preis und verschwand im Taxi, ein Luxus den sie sich normalerweise nicht leistete. „Ich muss wieder Joggen gehen“, dachte sie, als sie schnaufend ihre Wohnung betrat. Der Proseccoflaschenkorken hätte fast die Deckenlampe getroffen, vor Ungeduld verzichtete sie auf ein Glas, es tropfte auf ihr Kinn und auf ihr Sommerkleid, sie machte sich keine Mühe, die Geschenkverpackung sorgfältig zu öffnen und als Sie den kleinen Aufkleber auf der Plattenhülle gelesen hatte, musste sie sich erst einmal kurz setzen:

PHILIPPE B LIKE YOU DO the next smasher of france most wanted producer !!!! including. the best blue monday rework ever !!!!!!!!!!!

So schnell bekommt man kein Fieber, aber die Schweißperlen auf ihrer Stirn, die Gänsehaut und das Zittern waren echt, als sich die Nadel senkte. Auf Maxi-Singles in LP Größe war die Automatik des Plattenspielers nicht vorbereitet, so dass es sich bis zu dem Moment als sie von 33 auf 45 hochschaltete etwas schleppend anhörte. Mit der richtigen Umdrehungszahl aber peitschten reinrassige House-Beats aus ihren alten Boxen.

“How does it feel To treat me like you do When you've laid your hands upon me ...

Myria begann in der Mitte ihres Wohnzimmers ihr Bewegungstalent wiederzuentdecken, während sie ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe zuschaute. Als der Beat und sie beste Freunde wurden dachte sie „lieber Gott der Dj’s und Plattenspieler, mach’, dass die Nadel nicht springt“. Von Nadelsprüngen, Glücksrissen und Traumbrüchen war sie gesättigt wie eine Mastgans vor ihrem letzten Tag.

„I thought I told you to leave me While I walked down to the beach Tell me how does it feel ..."

Als es passierte, waren die letzten Bassdrumschläge geschlagen und die Nadel auf ihrem stummen Weg in Richtung Vinylauslaufzone. Es hätten auch Schüsse aus Maschinengewehren auf einer verschlissenen VHS-Videokassette sein können, so knatterte die Nadel in lauten Sprüngen über den Vinylacker, bis Myria sie nach einem kurzen Sprint gestoppt hatte. Ihr Blick auf den Plattenteller endete mit einem hysterischen Lach- und Springanfall. Denn der ebenfalls schutzsuchende junge Mann, hatte seine Telefonnummer hinter die letzten Rillen des „best Blue Monday rework ever“ ins Vinyl geritzt.


Beitrag für die Jetzt.de-Lesung 2003 im "Blumen" (Berlin). Thema: Spring!

  
 
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